Mit der dramatischen Zunahme psychischer Erkrankungen befaßt sich ein Beitrag von Jürgen Reusch in der September-Ausgabe der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb. So kommt beispielsweise der Gesundheitsreport 2010 der Techniker Krankenkasse (TKK) zu dem Ergebnis, daß die psychisch bedingten Fehlzeiten seit dem Jahr 2000 um rund 40 Prozent zugenommen haben. Damit einher geht eine Steigerung des Medikamentenkonsums, mit dem Beschäftigte offenbar versuchen, »die geforderte Leistungsfähigkeit auf längere Dauer aufrechtzuerhalten und den permanenten Druck besser (zu) ertragen«. So hat sich die Einnahme von Antidepressiva bei Frauen in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, bei Männern hat sie um 120 Prozent zugenommen.
Eine zentrale Ursache für deren Zunahme sehen Wissenschaftler in Veränderungen des beruflichen Umfelds. »Die ganze Arbeitswelt wird viel stärker als früher ökonomisiert, wird dem Diktat von Markt und ›Wettbewerbsfähigkeit‹ unterworfen. Damit steigen Leistungs- und Konkurrenzdruck für die Beschäftigten«, so Reusch. »Maßlose Renditeansprüche und maßlose Leistungsansprüche sind zwei Seiten einer Medaille.«
Daraus ergibt sich, daß der Schutz vor psychischen Belastungen eine wichtige Aufgabe betrieblicher Interessenvertretungen sein muß. Zentrales Instrument hierfür ist die im Arbeitsschutzgesetz vorgesehene ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung, mit der Quellen körperlicher und psychischer Belastung aufgedeckt und beseitigt werden sollen. Zudem gilt es, Beschäftigte und betriebliche Akteure über das Gefährdungspotential psychischer Belastungen zu informieren. So kann die Individualisierung des Problems überwunden und klargemacht werden, »daß das Gefühl der Überlastung nicht mit persönlicher Schwäche oder individuellem Versagen zusammenhängt, sondern mit schlechten Arbeitsbedingungen zu tun hat«. (31.08.2010, S. 15)
Arbeitsrecht im Betrieb – Zeitschrift für Betriebsratsmitglieder. Erscheinungsweise: monatlich. Bezug und Probeabo: www.aib-web.de