CDU-Politiker Nooke geht gegen Afrikanistin vor, die seine rassistische Argumentation kritisierte. Ein Gespräch mit Raija Kramer
Interview: Gitta Düperthal
Raija Kramer ist Juniorprofessorin für Afrikanistik an der Universität Hamburg und Vorsitzende des Fachverbandes Afrikanistik
Nachdem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den persönlichen Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin, Günter Nooke, wegen seiner rassistischen Äußerungen kritisiert hatten, zeigte sich der CDU-Politiker in keiner Weise einsichtig (siehe jW vom 16.2.). Was mussten Sie erleben?
Zunächst klang die Antwort des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz BMZ, vom 3. Dezember 2018 auf unser kritisches Schreiben positiv: Man wolle die afrikapolitische Diskussion mit der Wissenschaft intensivieren und eventuelle Missverständnisse in Hinblick auf das Interview Nookes mit der B.Z. ausräumen. Wir waren erleichtert, weil wir dachten, vielleicht wurde er von der Springer-Presse nur falsch wiedergegeben. Was Nooke dort in rassistischem Jargon verkündet hatte, gehört nicht zum vertretbaren Repertoire eines ranghohen Mitarbeiters eines bundesdeutschen Ministeriums. Beim Gespräch im BMZ am 13. Februar hieß es dann aber: Nooke würde seine Aussagen heute genauso wiederholen. Diese würden weitestgehend auf Fakten basieren und seien anschlussfähig an die Auffassungen der B.Z.-Leserschaft über den afrikanischen Kontinent.
Um welche Äußerungen Nookes geht es?
Es ging um sein recht schlichtes Afrikabild, das er im Springer-Blatt einem breiten Publikum vorstellte: Afrika sei ganz anders als Europa, und zwar aufgrund von »Clanstrukturen«, der »Rolle von Stammesführern« und »tradierten Verhaltensweisen«. Er sprach von Kinderreichtum und ungenügender Arbeitsproduktivität, insbesondere beim Bau. Die Kolonialzeit habe seiner Ansicht nach Gutes bewirkt, den Kontinent aus »archaischen Strukturen« gelöst. Nookes Vision für die Zukunft: Pachtgebiete auf afrikanischem Hoheitsgebiet »mit klaren Regeln und Strukturen«, unterstützt von Weltbank oder EU, die zu »Wachstum und Wohlstand« führen. Dorthin könnten derzeit in Europa lebende Migranten zurückgeführt werden.
Wie hat der Afrikabeauftragte auf die Kritik aus der Wissenschaft reagiert?
Er meinte, es gebe auch noch andere Afrikawissenschaftler. Die Kolleginnen ohne sichere Anstellung sollten mal an ihre Karriere denken, sonst könnten auch noch andere Geschütze aufgefahren werden. Nach dem Gespräch im BMZ sollten wir eine Abschlusserklärung unterzeichnen, aus der hervorging, dass die Vorwürfe des Fachverbands Afrikanistik unhaltbar seien und Nooke kein Rassist sei. Das wollten wir natürlich nicht. Nooke übergab mir persönlich einen Umschlag mit einem Gutachten, verfasst vom angeblich neutralen Moderator des Gesprächs, seinem CDU-Parteifreund Matthias Theodor Vogt. Er riet mir, dieses vor unserer im Anschluss geplanten Pressekonferenz gut zu lesen.
Im Gutachten wurde mir wissenschaftliches Fehlverhalten, genauer ein Plagiat, vorgeworfen. Weil ich für den Fachverband eine politische Stellungnahme unterzeichnete, die ich nicht selber verfasst hatte. Das ist absurd. Weiter hieß es im Schreiben, das Gutachten werde an meinen Dienstherrn versandt, dem rechtliche Schritte gegen mich nahegelegt werden. Ich habe den Präsidenten der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, darüber informiert und gebeten, seine Fürsorgepflicht mir gegenüber wahrzunehmen.
Wie ging die Auseinandersetzung weiter?
Lenzen verwies darauf, dass keine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen mich eingegangen sei. Das Präsidium sei aus verwaltungsrechtlichen Gründen nicht zuständig. Aus meiner Sicht geht es hier aber um einen Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft: Man wollte mich einschüchtern, auch wenn der Versuch erfolglos blieb.
An der Universität Hamburg gibt es nun die Veranstaltungsreihe »Gefällige Wissenschaft – Anpassung der kritischen Wissenschaft? Kritik der angepassten Wissenschaft!«. Findet sich in Ihrer Profession ein Trend zu reaktionären Denkmustern?
Ein Großteil der Professorenschaft, die sich mit Afrika beschäftigt, spielt den ideologischen Stichwortgeber. Viele erklären privatwirtschaftliche Investitionen aus Europa und Marktöffnung zu geeigneten Mitteln für Wohlstand, Frieden und Sicherheit in Afrika. Das ist auch im »Marshallplan mit Afrika« der Bundesregierung nachzulesen. Der Kern der Afrikapolitik fokussiert auf deutschen Eigeninteressen. Dabei geht es insbesondere um wirtschaftliche Gewinne und die Verhinderung von Migration.
Quelle: Junge Welt vom 02.05.2019
https://www.jungewelt.de/artikel/353940.kritik-an-afrikabeauftragtem-eingriff-in-die-freiheit-der-wissenschaft.html