Wir möchten hier den Kommentar eines unserer ReferentInnen des 2011er Kongresses, Dr. Knuth Müller, zum Zusammenhang von APA und Folter veröffentlichen:
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Nach einem von der American Psychological Association (APA, der weltgrößte Berufsverband für Psychologen mit rund 130.000 Mitgliedern) in Auftrag gegebenen Berichts zur Eruierung möglicher Kollaboration der APA mit militärisch-geheimdienstlichen Regierungsstellen zu urteilen, hat sich die APA durch Veränderungen ihrer Ethikregeln im Jahr 2002 schuldig gemacht, ihren Mitgliedern die Teilnahme an Folterungen, deren Supervision und Effektivitätssteigerung zu ermöglichen.
Durch die Veränderungen an den etischen Prinzipien (insb. 1.02 und 1.03, siehe:http://www2.fapse.ulg.ac.be/documents/code2002.pdf) wurde den an Folterungen teilnehmenden Psychologen die Möglichkeit gegeben, sich auf Befehlsnotstand berufen zu können („Nuremberg defense”), was Tür und Tor für Folterungen aller Art bot (siehe dazu den CIA-Folterbericht des „Senate Select Committeeon Intelligence” unter: http://www.intelligence.senate.gov/sites/default/files/press/executive-summary_0.pdf).
Der am 02.07.15 von David H. Hoffman, Anwalt des Büros „Sidley Austin LLP” sowie ehemaliger Generalinspekteur und Staatsanwalt der APA überantwortete Bericht (http://www.apa.org/independent-review/APA-FINAL-Report‑7.2.15.pdf) bestätigt die seit Jahren gegenüber der APA vorgebrachten Anschuldigungen.
Unmittelbare Folge war der Rücktritt von zunächst vier obersten APA-Funktionären, darunter auch der langjährige Direktor des – man glaubt es kaum – APA-Ethikbüros, Dr. Stephen H. Behnke, einer Schlüsselfigur in der Anbiederung der APA an das DoD/CIA-Folterkonsortium.
Der Hoffman-Report hat, seit dem er am 10.07.2015 der weltweiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, einen internationalen Sturm der Entrüstung hervorgerufen (siehe Google-Ergebnisse). Ausgeblieben sind bisher die Reaktionen bundesdeutscher Berufsfachverbände mit Ausnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs, siehe http://www.dgps.de/index.php?id=143&tx_ttnews[tt_news]=1619&cHash=9591dd3bbec1081ae85f31149232077f).
Der 542-Seiten umfassende Hoffman-Report stellt ein Lehrstück innerorganisatorischer Auswüchse von Macht, Gier, Geltungssucht, Überheblichkeit, ausufernden Patriotismus, Nationalismus, Sexismus und Rassismus bei sogenannten Helfer*innen dar, das, wenn unbeachtet, die Gefahr einer Wiederholung bietet.
Welche Rolle auch Psychoanalytiker*innen und ihre Berufsverbände in der Entstehung von militärisch-geheimdienstlichen Verbindungen von psychoanalytischen Fachgesellschaften, sowie der Entwicklung, Beforschung, Implementierung und Evaluation moderner CIA/DoD-Foltertechniken spiel(t)en, wird Gegenstand eines im Dezember diesen Jahres erscheinenden Buches sein (siehe Herbst-Katalog des Psychosozial-Verlags).
Dr. Knuth Müller
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