Zusammen mit dem AStA der Freien Universität Berlin plant die NGfP einen Kongress mit dem Titel
„Migration und Rassismus. Politik der Menschenfeindlichkeit gegen Flüchtlinge”
vom 3. bis 6. März 2016 in Berlin.
Beachten Sie hierzu bitte unseren
Call for paper (Einreichungen bis zum 15.9.2015)
Weltweit sind derzeit 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten oder Verfolgung. Nie zuvor hat der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen so viele Flüchtlinge gezählt. Über 80% von ihnen fliehen aus den Krisengebieten in angrenzende Regionen und Anrainerstaaten. Nur eine Minderheit versucht, Europa zu erreichen. Bei der Flucht nach Europa über das Mittelmeer haben seit dem Jahr 2000 mindestens 23.000 Menschen ihr Leben verloren. 142.000 Flüchtlinge haben von Januar bis Mai in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Doppelt so viele, wie bis Mai des Vorjahres. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind zugleich 200.000 Anträge noch nicht bearbeitet.
Dass Menschen auf der Flucht im Mittelmeer massenhaft ertrinken, ist ein humanitärer Skandal. Mit allen Mittel wollen die EU und vor allem Deutschland den Weg nach Europa für Flüchtlinge sperren: Durch Zäune, Mauern, Verschließen der Grenzen oder sogar durch das Versenken der Schiffe, um schon eine Abfahrt aus Afrika zu unterbinden und um den Skandal der großen Zahl von Ertrinkenden aus der Welt zu schaffen.
Viele der Probleme existieren freilich schon seit Jahren oder Jahrzehnten. Die Menschen emigrieren oder müssen fliehen, aus politischen, ökonomischen Gründen, aus unerträglichen Zuständen, aus Angst vor Verhungern, Krieg, Vertreibung und Tod und aus Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben anderswo, außerhalb ihrer Heimat.
Deutschland forderte früher im Süden Einwanderer an, als Arbeitskräfte auf niedrigem sozialen Niveau. Heute kommen diese aus Osteuropa. Das einstige Grundrecht auf politisches Asyl existiert nur mehr auf dem Papier: Nachbarländer gelten als sichere Drittstaaten, in denen in Europa angekommene Flüchtlinge schon ihren Antrag zu stellen haben. Flüchtlinge aus dem Süden kommen illegal, weil Deutschland ihnen die legalen Wege verschlossen hat.
Die Ursachen der Wanderungsbewegungen wurden nie angegangen. Zu sehr sind diese mit den kapitalistischen Interessen des Westens verknüpft: Mit dem Interesse an fügsamen Regierungen und am Zugang zu Rohstoffen in ökonomisch abhängigen Ländern. In Kriegen und Bürgerkriegen, vor denen Menschen in Afrika fliehen, sind westliche Staaten und Unternehmen Waffenlieferanten, Finanziers und auch Kriegspartei. Die Kriege des Westens in Afghanistan und im Irak haben in Syrien und Libyen eine Fortsetzung gefunden. Entstanden ist ein Band der Zerstörungen, ein Gürtel von von Banden beherrschter Gebiete südlich von Europa. Ihm versucht ein Großteil der Flüchtlinge zu entkommen.
Die Toten im Mittelmeer sorgten und sorgen für mediale Aufmerksamkeit. Die Flüchtlinge scheiden in Deutschland die Geister. Einerseits bekommen rassistische Bewegungen neuen Auftrieb. Die Zahl gewalttätiger Aktionen gegen MigrantInnen und Flüchtlinge ist stark gestiegen. Hier entzündet sich das Feuer, das die intellektuellen Brandstifter in Deutschland durch islamophobe Hetze gegen MigrantInnen gelegt haben. Durch die Diskriminierung der schon lange bei uns lebenden MigrantInnen wurde deren Situation wieder mehr zu einem Leben in feindlicher Umgebung und damit deren Integration weiter erschwert.
Andererseits ist die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr bereit, die menschenverachtende Antiflüchtlingspolitik zu tolerieren. Auch Teile der etablierten Medien äußern sich verständnisvoller und vorsichtiger. Kommentatoren fordern ein Ende dieser Politik und mehr Hilfen für Flüchtlinge – meist jedoch, ohne an den Grundlagen zu rütteln. Die Äußerungen des Papstes blieben die Ausnahme.
Die Flüchtlinge, die hier ankommen, sind tief traumatisiert. Sie haben meist in ihren Ländern Entbehrungen, Krankheiten und Tod erlebt, auf dem oft sehr langen Fluchtweg haben sie Not und Ängste durchlitten, und sie erleben schließlich häufig erneute Traumatisierung in Deutschland. Sie brauchen Hilfen auf allen Ebenen, Wohnung, Arbeit, medizinische und psychologische Hilfe.
Die Fragen, die wir mit diesem Kongress stellen und mit Euch/Ihnen diskutieren wollen:
- Krieg, Terror, Diktatur, Korruption, Armut und Hunger vertreiben die Menschen aus ihren Lebenszusammenhängen. Welches sind die gesellschaftlichen Kräfte hinter den Ursachen, welche Rolle spielt die Politik der EU und Deutschlands?
– Welche konkreten Interessen und Motive läßt die Flüchtlinge selbst das Risiko der Flucht eingehen um „etwas Besseres als den Tod“ zu erreichen?
– Wir wollen die Sichtweise der Flüchtlinge und MigrantInnen, ihre Pläne und Hoffnungen ihre Erfahrungen, ihr Erleben, ihre Auseinandersetzungen mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auch durch sie selber zur Darstellung bringen lassen.
– Wie können wir dazu beitragen, ihre politischen Kämpfe und Aktionen wirksam werden zu lassen?
– Was waren die sozialpsychologischen und ökonomischen Voraussetzungen für die Antiflüchtlingspolitik der EU?
– Wie tief reichen diese Voraussetzungen in die Geschichte der europäischen Völker und die Sozialisation der europäischen Menschen hinein?
– Welche Bedeutung kommt dabei der Geschichte des europäischen Kolonialismus und der spezifisch „europäischen Geschichtsschreibung“ als Konstruktion der ausgegrenzten, ausbeutbaren „Anderen“ zu?
– Was können PsychologInnen, SozialarbeiterInnen, PsychotherapeutInnen, SozialwissenschaftlerInnen zur Erkenntnis und Veränderung dieser Verhältnisse sowie zur Verarbeitung der durch sie hervorgebrachten Leiderfahrungen und Traumatisierungen beitragen?
Wir laden dazu ein, Vorschläge für Kongressbeiträge mit Titel und einer Zusammenfassung von ca. 300 Wörtern und kurzen Angaben zu Ihrer Person bis zum 15.09.2015 an orga2016[at]ngfp.de
zu senden.
Der AStA der Freien Universität Berlin gemeinsam mit der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP)
Den Call for paper finden Sie in pdf-Form hier: AStAFU_NGfP_2016_cfp_Migration_und_Rassismus.pdf