Anlässlichs des bald stattfindenden Kongress „Migration und Rassismus. Politik der Menschenfeindlichkeit” gibt die NGfP folgende Pressemitteilung bzw. Medieneinladung heraus:
„Migration und Rassismus. Politik der Menschenfeindlichkeit“
Als die Neue Gesellschaft für Psychologie Anfang 2015 die Migration nach Deutschland und rassistische Angriffe gegen Migranten als Thema ihres Jahreskongresses 2016 gewählt hat, war nicht absehbar, dass die sogenannte „Flüchtlingskrise“ in der Zeit des Kongresses bestimmendes Thema in Nachrichten, Talkshows und in politischer Berichterstattung sein würde. Danach begrüßten viele Bundesbürger zunächst die vor Krieg, Bürgerkrieg und Elend in Deutschland Schutz Suchenden. Doch mittlerweile dreht sich die politische Debatte nur darum, mit welchen Gesetzesänderungen oder Maßnahmen der In- und Außenpolitik man Schutzsuchende am effektivsten von Deutschland fernhalten kann. Unser Kongress, zu dem wir Vertreterinnen und Vertreter der Medien herzlich einladen, bietet jetzt Zeit, Inne zu halten, zu sortieren, abzuwägen: Zeit für eine Aufarbeitung des bisher Geschehenen und der bisherigen Strategien und Vorschläge.
Die Neue Gesellschaft für Psychologie ist wie keine zweite Wissenschaftsgesellschaft prädestiniert für einen Kongress zum Thema Migration und Rassismus. Sie hat sich durch ihre Kongresse der vorangegangenen Jahre zu den Themen der gesellschaftlichen Verantwortung der Psychologie und der Sozialwissenschaften, ein solides Fundament kritischer Theorie geschaffen und für ihre Arbeit einen großen Kreis international ausgewiesener Experten gewonnen, der auch jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftliche Nachwuchskräfte anzieht.
Die Themen des diesjährigen Kongresses reichen von den Hintergründen und Ursachen der Flucht bis hin zu den Folgen für die die Flüchtenden aufnehmende Bevölkerung, von Formen der Diskriminierung bis zu den Wurzeln des gegenwärtigen Rassismus, von den Solidaritätsbewegungen bis zur Praxis der Hilfen und deren Reflexion.
Diese Spannbreite interdisziplinärer Forschung von Psychologie als therapeutische Hilfe bis zur gesellschaftskritischen Reflexion, unter Hinzuziehung einer ganzen Reihe von Nachbardisziplinen, wie Soziologie, Ethnologie, Geschichts‑, Sprach- und Kulturwissenschaft, Medientheorie und politische Wissenschaft hat sich bei den bisherigen Kongressen der Neuen Gesellschaft für Psychologie als äußerst fruchtbar und anregend erwiesen.
Von dieser Kooperation erhoffen wir uns auch viel beim aktuellen Kongress. Er bearbeitet ein Thema, bei dem es noch keine fertigen, oder auch nur brauchbaren Lösungen gibt. Lösungen, die die Not der Schutzsuchenden lindern und die Ängste, Befürchtungen und Ressourcen der Bevölkerung angemessen reflektiert. Die Befürchtungen einer Bevölkerung, die bereit ist, die Geflüchteten aufzunehmen, sich aber überhaupt nicht sicher ist, ob „wir das schaffen“.
Der vom 3.–6. März in Berlin stattfindende Kongress „Migration und Rassismus. Politik der Menschenfeindlichkeit“ greift diese beiden Seiten auf, analysiert die politische und wissenschaftliche Diskussion, kritisiert die vielen Maßnahmen gegen Migration, die letztlich Flüchtlinge nicht von ihrer Flucht abhalten können, sondern diese nur noch gefährlicher für das Leben und die Gesundheit der Geflüchteten machen. Damit schließt sich der Kongress der scharfen Kritik des UNHCR und von Amnesty International an der chaotischen und restriktiven Flüchtlingspolitik europäischer Länder an. Zugleich nimmt er die Ängste und Befürchtungen ernst, ob das zu schaffen ist, welche Herausforderungen damit für die Menschen, Helfer, aber eben auch Psychotherapeuten, Psychologen und Sozialarbeiter einhergehen.
Beim Kongress werden der deutsch-persische Schriftsteller, und Historiker Bahman Nirumand und weitere Fachvertreter als Referenten auf Fluchtursachen eingehen. Auf dem Programm stehen Vorträge über die psychotherapeutische Arbeit mit Geflüchteten, die unter Posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen oder anderen Erkrankungen leiden. Die Referenten sind nicht nur Fachleute auf dem Gebiet der Psychotherapie, Psychologie oder Pädagogik; sie sind auch politisch Mitdenkende, die aufmerksam Prozesse in der Gesellschaft über ihren Fachbereich hinaus beobachten und reflektieren. So wird einer der Psychoanalytiker auch über den Konflikt sprechen, ob man Patienten mit Migrationshintergrund an einem bestimmten Punkt der Behandlung eher in ihrer Herkunftskultur oder in den Prozessen zur Anpassung an die hiesige Kultur unterstützen sollte.
Ein Panel des Kongresses wird sich dem Rassismus im Alltag zuwenden, ein anderes den Folgen des Kolonialismus im Kontext mit heutigen Migrationsbewegungen. Junge Wissenschaftlerinnen steuern aus ihrer aktuellen Forschungsarbeit Erkenntnisse zur Bewältigung rassistischer Gewalt bei. In einem anderen Beitrag geht es um Erzählen und Schweigen in der Institution Asyl – von der Anhörung beim Bundesamt für Migration bis zum lebendigen Gedankenaustausch in Selbstorganisationen.
Insgesamt werden mehr als 30 Referenten aus Wissenschaft und Praxis beim Kongress sprechen. Dieser ist wie immer bei der NGfP interdisziplinär. Das erlaubt der eigenen Profession den Blick über den Tellerrand der Psychologie und gestattet u.a. Politologen, Historikern, Ethnologen umgekehrt Einblick in Forschung und Praxis von Psychologen, Psychotherapeuten und Psychiatern.
Veranstalter des Kongresses sind die Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP) und der AStA der Freien Universität Berlin. Mehr Informationen unter:
http://ngfp.de/wp-content/uploads/2015/12/MuR_Ankuendigungsflyer_21122015.pdf
http://ngfp.de/wp-content/uploads/2016/02/NGfP2016_MuR_Programm.pdf
Der Kongress findet vom 3. bis 6 März 2016 in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin, Franz-Mehring-Platz 1 in 10243 Berlin statt.