Liebe ZEIT!
Über den Artikel von Kollegen Pawelzik bin ich doch sehr erstaunt:
„Unter den Bedingungen unseres seit Jahrzehnten ständig ausgebauten Sozialstaats fühlen wir uns mehrheitlich derart sicher….“
In welchem Jahrhundert lebt der Autor? Wird nicht der Sozialstaat seit den 90er Jahren heruntergefahren? (Literatur: Butterwegge: Krise und Zukunft des Sozialstaats)
Sind wir zu verwöhnt, zu weich, zu empfindsam und egoistisch geworden, weil wir nicht mehr von Kindesbeinen an die Härten des Lebens zu spüren bekommen? Warum nicht gleich für die Wiedereinführung der Prügelstrafe plädieren, die bekanntlich „noch keinem geschadet“ hat?
Der Autor spricht von Arbeitsstreß ganz pauschal. Als wollten die Menschen sich heute vor der Leistung drücken und hinter dem Modewort „burn out“ verstecken. Herr Pawlizek unterschlägt völlig den Unterschied zwischen „gesundem“ und „krankmachendem“ Streß. Es kommt bei der psychischen Belastung nicht nur darauf an, wie viel man zu arbeiten hat, sondern unter welchen Bedingungen. Z.B. ob jemand für seine Leistung Anerkennung bekommt, ob er ein sicheres Umfeld hat, ob er über sich selbst bestimmen kann.Ob er zuverlässige Rückzugsräume hat oder ständig präsent sein muß nach der Formel „7x24“. Schließlich ist Selbstausbeutung nicht nur individuelle Entscheidung, sie wird in großen Teilen der heutigen Arbeitswelt vorausgesetzt, gerade unter den Bedingungen der globalisierten Wirtschaft
Pawlizek führt die Erschöpfungsdepression (ein Begriff des französischen Psychiaters Ehrenberg) auf individuelle Fehleinstellung zurück und . klammert die sozialen Bedingungen völlig aus. So einfach kann man es sich machen
Berlin, den 7.12.2011
Dr.med.Uwe Langendorf